Kreisjugendmusikkapelle gibt begeisternde Vorstellung
Freude der Musiker über erstes Konzert seit 2019 überträgt sich auf applausfreudige Zuhörer.
Ertingen - Weit mehr als 500 begeisterte Zuhörer überschütteten die Kreisjugendmusikkapelle Biberach mit ihren fast 100 Musikern bei ihrem ersten Konzert nach dreijähriger Pause. Musikdirektor Tobias Zinser führte seine musizierfreudige Schar zu vielfach außergewöhnlichen Interpretationen oft wenig bekannter Werke auf durchweg hohem Niveau.
Landrat Heiko Schmid gab in seinem Grußwort seiner Freude Ausdruck, dass nach der langen Durststrecke seit 2019 in der voll besetzten Kulturhalle Ertingen die Kreisjugendmusikapelle als das Aushängeschild des Landkreises Biberach in sinfonischer, jugendlich gestalteter Blasmusik wieder auftreten darf.
Festlich - feierlich, mit klaren Trompeten über einem zuverlässig agierenden Schlagwerk führt das Orchester in der Intrada in die „Symphonic Suite" von Clifton Williams ein. Jedem der fünf Sätze liegt ein Grundthema zugrunde, der durch spezifische Zutaten sein eigenes Gesicht erhält. Ob klare Strukturen beim Choral oder exakt durchgehaltener Rhythmus beim Marsch, dichtes musikalisches Geschehen weitet sich stets zu orchestralen Höhepunkten. Ganz anders der antike Tanz, von einer Flöte behutsam in Szene gesetzt, rundet er sich von orchestraler Dichte zu dem fast verklingenden Eingangsmotiv. Themen, die eingangs gleichberechtigt erklingen, steigern sich zu einem rasanten Finale voll intensiv gelebter Leidenschaft.
„The Souls of Heaven" des Zeitgenossen Stephen L. Melillo ist vor allen in der Uraufführung durch die Kreisjugendkapelle Biberach ein emotional aufwühlendes Werk. 20 Stimmen stehen für 20 Kinder, die bei einem Amoklauf 2012 in einer Schule in Connecticut (USA) ums Leben gekommen sind. Zu dezenten Trommelschlägen weisen Flöten den Weg zur Bewältigung dieses Schreckens. Deren transparente Klänge sind trotz aller Beweglichkeit voll Trauer, bis das helle Blech in rhythmisch exakten Tonfolgen ins Geschehen eingreift. Mit viel Einfühlungsvermögen führt Dirigent Zinser seine jugendliche Schar durch dieses komplexe Tongeflecht.Die ums Jahr 1980 entstandenen Armenischen Tänze von Alfred Reed basieren auf armenischen Volksweisen. Vor allem die Holzblasinstrumente prägen das Lied um den Aprikosenbaum. In Verbindung von Melodie und Rhythmus entwickeln sich musikalische Bausteine, die in orchestral frohem und stets abgerundeten Musizieren manche Beklommenheit löst.
Mit dem Rakoczi-Marsch von Hector Berlioz, einem ungarischen Marsch aus „Fausts Verdammnis". führte das Orchester in den zweiten Teil des umfangreichen Konzerts ein. In gewählter Abgrenzung von voluminösen und konzertant delikaten Partien spiegelte der Marsch die ungarische Landschaft wider. Kurzgefasste Einheiten voll spürbarer Lust am Musizieren milderten die oftmalige Wucht des zuverlässig durchgezogenen Marschrhythmus in einer neuen Bearbeitung von Stefan Schwalgin.Werke und Arrangements von Siegfried Rundel sind bei vielen Musikvereinen im Kreis Biberach geschätzt und beliebt. So hat er für die Ouvertüre des „Zigeunerbaron" von Johann Strauß eine spezielle Bearbeitung für Blasinstrumente geschrieben. Glasklare Solis bekannter Themen zu dezent begleitenden großen Registergruppen strömen eine geradezu liebenswerte Faszination aus. Leichtfüßiges Musizieren im Orchester paarte sich mit exakt ausgewiesenen Sequenzen voll rhythmischer Eleganz. Nicht fehlen durften duftige Walzer-Klänge in tänzerisch abgerundeter Wiedergabe, mit Bravo-Rufen und viel Beifall quittiert.
Hinter „The Ghost Ship" des Zeitgenossen Jose Alberto Pina verbirgt sich die Story des alten Schiffswracks „American Star". Die abenteuerlich anmutende, in Wirklichkeit grausame Geschichte gibt dem Orchester die Möglichkeit, in gezielter Verbindung einzelner Register teils ganz eigenartige, teils beklemmende musikalische Spannungen zu erzeugen.Der Wechsel in die Western-Film-Musik mit Broughtons „Silverado" zeigte die überaus große Bandbreite des Orchesters. Holz- und Blechbläser verhalfen in engen Kombinationen dem typischen Sound zu wirkungsvollem Genuss.
Im abschließenden „Mambo Jambo" von Perez Prado dominierten Rhythmusinstrumente der verschiedensten Ausrichtung zu mitreißenden Klängen der Blechbläser. Aufsteigende Strukturen, erschwerende Synkopen einberechnet, ergaben in oft dicht gewobenen Akkorden ein imposantes Musikspektakel.Tosender Beifall der Zuhörer galt als Dank für den Genuss eines bedeutsamen Konzerts. Die eingegangenen Spenden, eigentlich für eine Konzertreise nach Ungarn gedacht, sollen nach dem Willen der jugendlichen Musiker notleidenden Kindern aus der Ukraine zugutekommen. Daher erklang statt des traditionellen Biberacher Kreismarsches Beethovens „Ode an die Freude" , in die auch die Zuhörer einstimmen konnten.
Quelle: Schwäbische Zeitung vom 25.04.2022 - Kurt Ziegler